EXKLUSIV IN DEUTSCHER SPRACHE: KARL MALDEN ÜBER DSvSF

Zum 1. Mal in deutscher Sparche gibt es auf www.karlmalden.de einen Ausschnitt aus der Autobiographie "When Do I Start" von Karl Malden. Wer könnte besser aus dieser Zeit Hintergründe erzählen, als Karl Malden selber. (Bitte beachten Sie die Rechte an der Übersetzung. Das Buch gibt es nur in englischer Sprache.)

 

When Do I Start? - Karl Malden über Die Strassen von San Francisco


Teil 1 - Quinn Martin überzeugt Karl Malden

 

Irgendwann Anfang der 60er rief mich Abe Lastfogel, immer noch der „Pate“ (Anm.:d.h. einer der ersten Angestellten und später Präsident) der Willaim Morris Agency, zur Besprechung in sein Büro. Er erzählte mir, dass Danny Thomas eine Fernsehserie über einen Streifenpolizisten produzierte. Diese Rolle könne ich bekommen, wenn ich will. Die Nacht habe mich beim Abwägen des Angebots im Bett herumgewälzt. Wieder mal war die Aussicht auf eine feste Stelle sehr verlockend, aber schließlich ging ich wieder zu Abe und sagte ihm, ich würde nicht glauben, dass ich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt eine Serie machen wolle.


Mit großer Zuversicht sagte er zu mir: „Sie wird Dich reich machen.“ „Mach mich nicht reich, mach mich glücklich.“ „Was wird Dich glücklich machen?“ fragte er. „Einige gute Rollen in Filmen“ entgegnete ich.


Und in den darauf folgenden 10 Jahren bekam ich einige gute Rollen – grob gesagt vom unverbesserlichen Optimisten bis zum Rebell in Uniform. Gelegentlich hat Mike Zimring mit mir darüber gesprochen, ob der richtige Zeitpunkt (für mich) gekommen war, um Fernsehen zu machen. Ich empfand, dass ich ganz unten im Theater angefangen, mich 20 Jahre lang emporgearbeitet hatte, dann ganz unten mit kleinsten Rollen beim Film angefangen und mich wieder 20 Jahre hochgearbeitet hatte – ich hatte keine Lust, wieder ganz unten anzufangen. Ich wollte keinen Pilotfilm drehen, sozusagen die Musterfolge, die dazu dient, eine Serie zu verkaufen. Ich war schließlich mit meiner Karriere zufrieden und konnte den Gedanken nicht ertragen, wieder rauszugehen und meine Person nach all den Jahren nochmals zu verkaufen. Mike verstand mich. Genau genommen gab es einige Momente, in denen das Geld so verlockend war, dass ich hinsichtlich meiner Entscheidung ins Schwanken geriet, Mike mir die Sache aber ausredete. Nicht viele Agenten würden das tun, aber Mike passte auf mich mehr auf, als auf seine 10 Prozent.

 

Bei 2 Gelegenheiten hat Quinn Martin, ein Fernsehproduzent, nach meinem Interesse bezüglich einer Serie angefragt. Beide Male haben Mike und ich ihm meine Lage erklärt. Als Quinn mich ein drittes Mal anrief, sagte er: „Sagen Sie nichts, bis ich fertig bin. Hören Sie mir nur zu.“ Also hörte ich zu. Er erklärte mir, dass er eine Krimiserie für ABC machen würde. 26 Wochen garantiert. Kein Pilotfilm. Jetzt hörte ich wirklich zu. Quinn bat mich, das Buch zu lesen, welches als Basis für die Serie dienen sollte. Der Titel war „Die Straßen von San Francisco.“ Ich habe das Buch die folgende Nacht gelesen. Es sollte eine typische Quinn Martin Show werden. Ein Mord innerhalb der ersten 5 Minuten, eine Jagd irgendwo innerhalb der zweiten halben Stunde und wir lösen alles bis zur 57sten Minute auf. Meiner Meinung nach hatte ich genau das bisher zu vermeiden versucht. Aber Arbeit für ein ganzes Jahr hörte sich ziemlich gut an. Mir war danach, als sei genau der Zeitpunkt gekommen, den Sprung zu wagen. Außerdem war ich sicher, dass es nur für ein Jahr wäre, trotzdem, im Hinterkopf geriet ich in dieselben Turbulenzen, wie nach meiner Entscheidung, vom Theater zum Film zu wechseln.

 

Kurz nachdem ich mich für die Serie verpflichtet hatte, lud mich Quinn eines Tages mit den Worten in sein Büro ein: „Ich habe einen jungen Mann hier, den Du treffen solltest. Ich glaube, er könnte für die Rolle Deines Partners taugen.“

Ich kam in das Büro und - genau in dem Moment, als ich den Burschen sah – sagte: „Passt schon.“Quinn schaute mich überrascht an.„Ich sage Dir warum. Ich sehe dieses Grübchen in seinem Kinn.“ Ich drehte mich zu dem jungen Mann um: „Du bist ein Douglas, oder?“ Er fing an zu lachen. „Jawohl, ich bin Michael.“ Wir plauderten und als wir uns an diesem Tag trennten, bat ich ihn, seinen Vater von mir zu grüssen, meinen alten Kumpel vom Tamarack Playhouse (Anm.: 1940 geschlossenes Theater am Lake Plesant ), dem super Turniertänzer Izzy Demsky.


Das nächste Zusammentreffen mit Michael fand nur wenige Tage vor Drehbeginn statt. Er sagte: „Mein Dad sagte mir vor, auf Karl zu hören. Wenn Dir einer was beibringen kann, dann er.“ Das war eines der größten Komplimente in meinem Leben.Michael und ich spielten Kollegen. Wie richtige Partner bei der Polizei haben wir uns schnell aufeinander verlassen. Wir haben aufeinander aufgepasst.

 

Am Anfang der ersten Staffel hat der Regisseur eine Fahrszene vorbereitet, die erforderte, dass wir die California Street runterheizen, vor dem Fairmont Hotel nach links wenden und einen der berühmtesten Hügel in San Francisco abwärtsfahren. „Die Straßen von San Francisco“ war eine der ersten Produktionen, die an Originalschauplätzen gefilmt wurde. Ich erwähnte Quinn gegenüber, dass wir dies ausnutzen sollten – es gäbe 3 Hauptrollen in dieser Produktion – Michael, mich und San Francisco. Niemand hatte Einwände. Unsere Vorgesetzten wollten natürlich die Schönheit der Stadt zeigen. Für diese spezielle Aufnahme war die Kamera an einem hohen Kran befestigt, um das ganze Panorama einzufangen. Michael saß am Steuer. Er war zufällig ein wunderbarer Fahrer, kannte sich aber in dem Gebiet noch nicht aus. Wir wendeten vor dem Fairmont mit Tempo 88 oder 96 (km/h) nach links und befanden uns plötzlich in der Luft. Ich habe geguckt wie ein Auto. Ich schaute zu Michael – er lächelte nicht. Er schaute auf mich und ich schaute auf ihn - eine ganze Weile - für mich lang genug, um sagen zu können: „Was zum Teufel geht hier vor? Das kann doch nicht wahr sein!“ Als wir schließlich landeten, wurde der halbe Wagenboden rausgerissen.

 

Teil 2 - Reisechaos

 

Abgesehen von den Stunts war das erste Jahr von „Die Straßen von San Francisco“ knallhart.
Quinn Martin hatte mit Warner Bros. ausgehandelt, deren Burbank Studios als Heimatstandort für die Aufnahmen zu verwenden. Der Plan war, jeweils zwei Episoden gleichzeitig zu drehen. Wir würden die Innenaufnahmen der vorangehenden Folge bei Warner drehen, dann in San Francisco die Außenaufnahmen für diese und die zweite Folge, zurück nach L.A. für die Innenaufnahmen der zweiten + dritten Folge und so weiter. Der Plan war auf dem Papier sinnvoll, es hörte sich praktisch an, wie Bockspringen in Folgen, aber in Wirklichkeit war er schuld an einem chaotischen, anstrengenden Jahr für jeden, der in der Serie drinhing. Alles, was ich von diesem Jahr noch in Erinnerung habe, ist das Herumhetzen, um späte Nachtflüge zu erreichen. Ich fühlte mich wie inmitten eines Wirbelsturms, es kam nur darauf an, eine Folge in den Kasten zu bekommen, um mit der nächsten fortzufahren. Keine Konzentration, kein Schwerpunkt. Die Leute fragen mich, ob ich Michaels großen Erfolg voraussah, aber - ehrlich gesagt – konnte ich ihn dieses Jahr kaum beobachten. Die Drehbücher lagen zu spät vor, die Crew kämpfte gegen die Müdigkeit. Wir Schauspieler waren immer verwirrt. Die Arbeit war lausig, klar und simpel.


Am Ende dieses Jahres sagte ich: „Wenn die Fernsehgesellschaft das kauft – ohne mich! Ich kann so nicht leben.“ Es war wichtiger geworden, dass wir es rechtzeitig zum Flughafen für den Mitternachtsflug schafften - egal ob LAX (Anm.: Los Angeles International Airport) oder San Francisco - anstatt die Szenen auf den Punkt genau zu spielen. Nicht mit mir.
Sie entgegneten: „ Also möchten Sie die ganze Zeit in San Francisco leben?“ Ich bin sicher, sie erwarteten, dass ich Nein sage. Aber ich überraschte sie: „O.k., wenn es einen besseren Zeitplan mit sich bringt.“ Quinn erzählte mir, dass San Francisco immer noch als Drehort durchging – d.h. lt. Vertrag würden wir immer noch 6 Tage pro Woche arbeiten, aber damit war ich einverstanden. Es war ein Drehort, allerdings ein fester. Mir waren die langen Tage und Wochen egal. Ich wusste, dass ich und die Crew aus L.A., (die auch diese Reiserei mitmachten) besser damit klarkommen würden, an einem Ort zu arbeiten

Dennoch, das Problem mit dem Zeitfenster für die Drehbücher blieb. Ich wusste, ich könnte keine ordentliche Arbeit abliefern, wenn ich mein Drehbuch nicht wenigstens 3 Tage vor Drehbeginn bekam. Mir machte Sorge, dass der Umzug, der die Entfernung zwischen uns und den Autoren vergrößerte, in noch späteren Drehbüchern resultieren könnte. Ich wollte, dass Quinn die Autoren wegen der neuen Staffel in Bewegung setzt, sobald wir aussetzten. Doch dafür war ein früher Ankauf von Seiten der Fernsehgesellschaften notwendig. Ich sagte ihm, er solle mich als sein großes Problem darstellen. „Sag ihnen, ich käme nicht zurück, bis wir Vollzeit in San Francisco leben und ich die Drehbücher 3 Tage im Voraus bekomme.“
Ihre Antwort? Umzug für alle zu teuer. Quinn vermittelte. Wäre ich mit einer Reduktion von 26 auf 23 Folgen pro Staffel einverstanden? Ich wollte zustimmen, wenn „sie“ (d.h. die Fernsehgesellschaft) garantierten, dass man uns mindestens 2 Wochen vor Ablauf einer Staffel und der Drehpause darüber informierte, ob die Serie für das Folgejahr aufgekauft worden war. Sie willigten ein, also packten wir alle für den jährlichen 8monatigen Trip nach San Francisco unsere Koffer. Nachdem alles ausgebügelt war, machten die Verantwortlichen bei William Morris Anstalten, meinen Vertrag neu zu verhandeln. Ich verstand nicht, was sie wollten. Ich hatte einen 5-Jahresvertrag mit den darin enthaltenen üblichen jährlichen Erhöhungen. Nur weil die Serie ein Renner war, war ich nicht berechtigt, einen besseren Deal zu bekommen. Es begann mit der Aussage: „So wird das nun mal gemacht. Jeder macht das so.“ Super Methode, um mich ruhig zu stellen. Wieder wurde Mike Zimring mein Verbündeter gegen die Männer, mit denen er bei Morris zusammengearbeitet hatte. Schlussendlich kehrte ich zur zweiten Staffel mit meinem Ursprungsvertrag zurück. Keine Ahnung, ob meine Wahl richtig war, aber mein Wort und meine Unterschrift bedeuteten mir mehr als das zusätzliche Geld. Und ein dankbarer Produzent wurde dadurch mein Freund – Quinn Martin war so freundlich, mir unzählige Male im Laufe der Serie zu danken.

 

Teil 3 - Von Waffen und Gaststars

 

Am Ende des zweiten Jahres hatte alle, die an der Serie arbeiteten, eine gut laufende Routine entwickelt. Wir hatten einen Rhythmus gefunden, der funktionierte und blieben dabei. Inzwischen hatten Michael und ich miteinander Spaß. Mein Ziel war, dauerhaft zuverlässige Unterhaltung abzuliefern, in diesem Fall von einer guten altmodischen Polizeiserie. Ich ergab mich nicht der Illusion, es wäre große Kunst. Ich erinnere mich, dass in der Anfangszeit Michael – wie viele junge Schauspieler – dazu neigte, lange Sprechpausen zu machen. Ich nahm ihn beiseite und sagte: „Hör mal, wenn Du schon Scheiße machst, mach’s schnell. Wir machen Scheiße. Lass Dir nicht all die Zeit. Wir sollten den Zuschauern voraus sein.“

 

Er begriff schnell und wir entwickelten eine Energie, einen Schwung, der – wie ich hoffe – das Publikum mitriss. Wenn wir zu einer Tür gehen sollten, rannten wir zu der Tür – solche Sachen eben. Aber wir rannten nie mit gezückter Waffe. Wenigstens ich hielt mich daran, und dies nicht nur deswegen, weil wir sie sowieso ziehen mussten. Dies war ein Streitpunkt, bei dem Michael und ich nicht übereinkamen. Theoretisch war Michael genauso gegen Waffen – jedoch war er der Ansicht, wir würden wie Idioten aussehen, wenn wir ohne schussbereite Waffen herumrannten. Ich entschied, dass ich meine Waffe erst in der letztmöglichen Sekunde der Situation ziehen wollte, unabhängig davon, ob das realistisch war oder nicht. Also ging ich in vielen Szenen ins Büro, nahm die Waffe aus dem Halfter und legte sie weg in eine Schublade. Ich wollte nicht, dass die Waffe wie eine Erweiterung der Rolle wirkt - so wie es in vielen Polizeiserien der Fall ist. Ich habe mir nie etwas vorgemacht. Was das anging, war die Serie sozialverträglich. Darüber hinaus waren es Mike Stone und Steve Keller, die dafür sorgten, dass die Strassen von San Francisco sicher waren - unter Mithilfe einer hübschen Liste von Gaststars.

Unsere Serie hatte eine beachtliche Vielzahl von Schauspielern zu Gast. Die einleitende 2-Stunden-Episode zeigte 2 wunderbare Schauspieler, Edmond O’Brien und Eileen Heckart. Am Ende unserer letzten Staffel drehte sich eine Folge um die Person eines Bodybuilders mit einem unkontrollierbaren Temperament, gespielt von einem Unbekannten namens Arnold Schwarzenegger. Dazwischen präsentierten wir einige Gesichter, die damals ziemlich unbekannt waren – Peter Strauss, Joe Don Baker, Sam Elliot, Tom Selleck, Don Johnson und Nick Nolte. Aber meine Lieblingsfolgen waren mit Veteranen wie Lew Ayres und – aus meinen frühen Tagen in N.Y. – Luther Adler, nicht zu vergessen meinen teueren Freund Sam Jaffe. Als Luther zur Arbeit antrat, erschien er an unserem Set mit einer großen Papiertüte voller knallroter Tomaten. „Die sind von meinem Hof“, sagte er. „Ich habe sie den ganzen Weg hierher auf meinem Schoß gehalten.“ Ich war von den Tomaten begeistert, aber vor allem freute ich mich wahnsinnig, „den“ Luther zu Gast zu haben. Den Star aus Golden Boy, dem ersten Stück, das ich in New York gespielt habe.


Ich fühlte mich, als ob ich zu meinem Ausgangspunkt zurückkehrte, vor allem, weil Sam Jaffe auch Gast in derselben Episode war – Sam, der mich in einem meiner schlimmsten Momente bei der Hand genommen und mir die Rolle in Uncle Harry verschafft hatte. Ich fühlte mich so geehrt, ihn beim Dreh dabeizuhaben, dass ich den Toiletten-Wagen nahm und ihm meinen Wohnwagen für die Woche überließ. Natürlich war das mit dem, was er für mich 30 Jahre zuvor getan hatte, nicht vergleichbar.


Ich frage mich, ob der junge Mann, der bei dieser Folge Regie führte, sich an den dritten oder vierten Drehtag so gut erinnert, wie ich. Die Geschichte handelte von 2 alten Freunden, die einen ihrer Enkel aus einer misslichen Lage befreien wollten. Dafür mussten sie die Fußspuren des Jungen verfolgen, um einen Schuhkarton voller Geld zu finden, den er irgendwo verstaut hatte. Sie suchen überall nach dem Versteck, zuletzt beschlossen sie, auch in einem Gullyloch zu suchen. Beide, Sam und Luther, sollten auf die Knie gehen, den Gullydeckel zur Seite schieben und Sam sollte hinuntergreifen und den Karton rausziehen. Das war eine Vorstellung für sich. Sie hatten diesen Teil einmal geprobt, als unser junger Regisseur wollte, dass Sam länger unten bleibt, bevor er mit dem Karton wieder hochkommt. Sam legte die Box zurück, tat seine Pflicht, indem er sich etwas länger in das Gullyloch beugte und wieder mit dem Karton hochkam. „Nein Sam, ich möchte, dass Sie länger unten bleiben. Zählen Sie diesmal bis 8.“ „Gut“, sagte Sam in seiner ruhigen, unerschütterlichen Art. Und er tat es wieder.


Diesmal sagte ihm der Regisseur: „Ich wollte, dass Sie bis 8 zählen, erinnern Sie sich?“
Sam lächelte ihn an. „Ich kann zählen. Ich kann schnell zählen. Ich kann langsam zählen. Ich kann auf jiddisch zählen. Ich kann auf spanisch zählen. Ich kann auf deutsch zählen. Ich kann zählen, wie immer Sie es wünschen. Wie soll ich ?“ Dann demonstrierte er alle Arten zu zählen, die er kannte - eine nach der anderen. Mittlerweile verhielten sich Luther und ich wie kleine Kinder, deren Kumpel den Lehrer aufzieht. Luther lachte wie blöd, ich versuchte, mich zusammenzureissen - wir konnten uns nicht einmal anschauen, da klar war, dass wir in Hysterie ausbrechen würden.

 

Der arme Regisseur schaute Sam nur an und antwortete: „Bleiben Sie nur etwas länger unten.“ Sam und Luther machten die Szene nochmal, ohne weitere Anweisungen. Und sie waren perfekt. Sam blieb unten, kam hoch, machte alles genau richtig. Ich glaube, sie kamen den Rest der Woche ohne weitere „Anweisung“ aus. Mir tat der junge Kerl fast leid, der versuchte, Sam Jaffe Timing beizubringen. Er wusste nicht, wen er vor sich hatte, als er Sam und Luther - mit deren 100jähriger Erfahrung untereinander – begegnete.

Teil 4 - Hinter den Kulissen

 

Während einige unserer Regisseure – sowohl jung wie ziemlich alt – sozusagen nur den Verkehr regelten, waren einige von ihnen enorm begabt und gaben ihren Folgen einen einzigartigen Stil. Zum Beispiel erinnere ich mich noch lebhaft an die Folge, die von einem jungen John Badham inszeniert wurde, seine erfolgreiche Filmkarriere ließ sich erahnen. Natürlich basieren meine Erinnerungen immer auf der Perspektive eines Darstellers.

 

Um zu verhindern, dass die wöchentliche Routine zur Schinderei wird, versuchte ich in jeder Folge eine kleine Herausforderung zum Vergnügen zu finden. Als mir klar wurde, dass ich für mindestens 5 Jahre mehr als 20 dieser Folgen jährlich machen würde, wusste ich, ich würde irr werden, wenn der Reiz verloren ging. Eine Serie zu drehen, könnte entweder in einen wöchentlichen Einheitsbrei ausarten oder ich könnte die Zeit nutzen, um Verschiedenes auszuprobieren, d.h. Dinge, die nur ich wahrnahm, aber die mich bei der Stange hielten.
Badhams Folge handelte davon, dass ich angeschossen von einer Chinatown-Bande gefangen genommen wurde. Ich verbrachte die gesamte Folge verwundet in dem Hinterzimmer eines Lagerhauses. Es machte Spaß, damit aufzuwarten, dass ich im Laufe der Folge mehr und mehr an Blut verlor und schwächer wurde, ohne dass sich Blutflecken auf meinem Hemd ausdehnten. Ich begann zunächst damit – ziemlich aufrecht - auf einer Kiste zu sitzen. Bei jedem Schnitt zu mir fiel ich mehr und mehr in mich zusammen, bis ich schließlich abseits der Kiste zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Keine große Sache, aber kleine Herausforderungen wie diese machten die Serie für mich zur Gaudi.


Aus dieser Folge sind mir auch Proben für eine bestimmte Szene im Gedächtnis geblieben. Das junge Bandenmitglied, das mich bewachte, wedelte mit seiner Waffe herum, stieß mich damit, schlug damit um sich. Man sieht sowas laufend im Fernsehen, aber mich hat’s gestört.

Mir fiel auf, dass er – der Darsteller – auf eine bestimmte Art und Weise agierte, weil er wusste, was passieren würde. Er wusste, dass ich, Mike Stone, ihm die Waffe nicht abnehmen würde, das Drehbuch sah es nicht vor. Was folgte, ist in gewisser Weise auf meine Einstellung gegenüber Waffen in Fernsehsendungen zurückzuführen: Dieser Bursche war so lässig mit der Pistole, dass sie aufhörte, eine tödliche Waffe darzustellen. Plötzlich, während einer Probe, als er neben mir mit der Waffe herumfuchtelte, riss ich sie an mich und richtete sie auf ihn. Er sprang auf. Ich sagte: „Du weißt, das könnte passieren..“ „Aber es ist vorgesehen, dass Du schwach bist.“ „Ich glaube, wenn mir jemand eine Waffe ins Gesicht halten würde, würde ich alles versuchen, um sie ihm abzunehmen.“ Ich schätze, diese Aussage beeindruckte. Er spielte die Szene seither anders. Meiner Meinung nach viel besser.

 
Sicher weiß das Publikum, dass Mike Stone überleben wird. Aber, damit ich meine Arbeit ernst nahm, konnte ich es nicht so spielen, als wenn Mike Stone auch wüsste, dass er überleben würde. Das wäre Betrug – am Publikum und an der Rolle. Und ich wusste, wir könnten unser Publikum nur von Woche zu Woche bei der Stange halten, wenn es nicht betrogen wurde. Immer, wenn (die Figur) Mike in einer solchen Lage war, musste ich den Gedanken haben: „Ich hoffe, dass dieser Irre nicht abdrückt“, egal, worum das Gespräch gerade ging. Mike wurde nie für einen Superhelden gehalten – Superhelden interessieren mich nicht.


Die Serie wurde für mich zu einem Ort, an dem ich die verschiedenen Charaktertypen darstellen konnte, die ich immer schon spielen wollte. Unsere Autoren John Wilder und Bill Yates konnten Mike Stone immer verdeckt ermitteln lassen, d.h. wenn ich ihnen sagte, ich würde gerne einen Clown spielen, war unser nächster Mord in einem Zirkus und Mike klatschte sich Theaterschminke ins Gesicht (Maskennase nicht nötig Anm.: bei der Knollennase, kein Wunder.. ;-) ). Wir engagierten einen echten Zirkus als Kulisse und die Clowns brachten mir einige ihrer Gags bei. In der Folge spielte auch ein guter Freund von mir, Michael Strong, einen anderen Clown, damit wurde es für mich unvergesslich. (Das war einer der Vorteile einer Serie – Ich durfte meine Freunde als Gaststars einladen, sooft es ging.).


Bevor man wöchentlich per Fernseher in die Häuser der Menschen kommt, ist es schwer, total abzuschätzen, welche Folgen das mit sich bringt. Als ich am Theater war, konnte ich auf der Strasse herumlaufen, ohne dass mich jemand erkannte. Dann begann ich zu filmen und wenig später wurde ich auf der Strasse angehalten und gefragt: „Entschuldigung, sind sie von St. Louis?“ oder „Arbeiten Sie in der Bank in Boise?“ Meistens sagte ich: „Ja, genau“ und die Leute waren zufrieden und gingen weiter. Dann fing ich an, jeden Donnerstag Nacht eine Stunde bei den Menschen im ganzen Land zu verbringen. Plötzlich erkannten mich die Leute nicht nur, sie glaubten mich zu kennen.

Teil 5 - Michael Douglas verlässt die Serie


Eines Morgens kam ich um 7 Uhr aus dem Huntington Hotel, meinem San Franzisko Heim, weit weg von zuhause, um zur Arbeit abgeholt zu werden. Plötzlich packte mich jemand, zeigte in eine Richtung und schrie: „Dort läuft er!“ Ich schaute die Strasse runter und sah einen jungen Mann, der eine Damenhandtasche umklammerte, die er offensichtlich in dem Cable Car, der gerade die Strasse runterfuhr, geklaut hatte. Ich drehte mich nach dem Mann um, der mich gepackt hatte. Er beobachtete mich jetzt genau und wartete darauf, dass ich die Verfolgung aufnahm. Mein Glück, dass mein Wagen in dem Moment vorfuhr. Ich sagte: „Es tut mir leid, ich komme zu spät zur Arbeit“ und duckte mich zum Einsteigen. Der arme Zeuge wurde mit der Frage zurückgelassen, was mit dem Mike Stone passiert war, auf den er sich verlassen hatte. Was war nur aus San Franciscos Elite geworden?

 

Es ist beinahe zu einem Klischee von Schauspielern geworden, sich über das zweischneidige Schwert auszulassen, das der Verlust der Anonymität mit sich bringt. Aber – wie die meisten Klischees – ist es leider wahr. Bis zum vierten und fünften Jahr der Strassen von San Francisco kam es mir vor, als hätte ich den Zugang zu dem wertvollsten Instrument verloren, das ein Schauspieler besitzt: der Möglichkeit, Leute in ihrem Tun zu beobachten, als wenn man eine Fliege an der Wand wäre. Als Schauspieler versucht man, viele Beobachtungen abzuspeichern, einen Vorrat an menschlichen Eigenheiten in petto zu halten – wie eine Person über die Strasse geht, die Art wie jemand anders seine Spaghetti aufwickelt – auf den man zurückgreifen kann, wenn es darum geht, eine Rolle zu kreieren. Bis zum letzten Jahr der Strassen von San Francisco waren diese Zeiten vorbei. Ehrlich, das letzte Jahr der Serie endete damit, dass ich nur noch mechanisch agierte. Michael Douglas verließ die Serie, um „Einer flog übers Kuckucksnest“ zu produzieren und seine wirklich brillante Karriere zu verfolgen. Ich verstand seine Entscheidung voll und ganz; ich hatte Respekt vor seinem enormen Ehrgeiz. Er hatte den Mut, Dinge umzusetzen und er wählte den richtigen Zeitpunkt, dennoch vermisste ich ihn schrecklich. Unsere 4 gemeinsamen Jahre waren ein einziges Vergnügen, gekennzeichnet durch gegenseitigen Respekt. Weil sein Vater und ich zusammen angefangen hatten, hatte ich – auch zwischen Michael und mir - immer das Gefühl einer familiären Bindung. Ehrlich gesagt, ich war nicht sicher, ob ich ausreichend motiviert war, noch einmal von vorn den ganzen Prozess des Kennenlernens der Eigenheiten einer anderen Person, zu durchlaufen.

 

Teil 6 - Keine Freunde


Der Ersatz für Michael, Richard Hatch, war ein reizender, gut aussehender junger Mann. Aber ich hatte nicht wirklich den Eindruck, dass er Einsatz zeigte. Nach ein paar Wochen sagte ich zu ihm: „Weißt Du, wenn Du hart arbeitest und wir zusammen proben, kannst Du ein großer Star werden. “
Er sagte: „Ich bin ein Star.“
„Oh wirklich?“ fragte ich. „Wie das?“
Er erklärte mir, dass er einige Jahre bei einer Seifenoper gewesen war und mehr Fanpost erhielt als jeder andere in der Serie. Ich nickte nur und ging weg. Aber im Hinterkopf dachte ich: „Das wird problematisch.“ Ich bin darauf nicht stolz, aber ich habe mich nie wieder wirklich für ihn eingesetzt. In mir spürte ich, dass dies das Ende der Serie war, denn - obwohl es eine 08/15 Serie war – worauf die Leute ansprachen, war die Beziehung zwischen Michael und mir. Wir waren glücklich – die Chemie zwischen uns stimmte. Mir war klar, dass es zwischen Hatch und mir keine Chemie gab.


Bis zu diesem Punkt konnte ich keine Rolle neu kreieren, die besser zu dem „neuen Burschen“ passte. Ich hatte begonnen, mich selbst zu spielen, mehr als ich es bisher jemals getan hatte. Man muß sich bei einer Wochenserie offenbaren. Es gibt einfach nicht genug Zeit um all die Fragen zu beantworten, mit denen sich ein Darsteller abmüht, wenn er an einer Rolle arbeitet - „Wie würde diese Person es tun?“, „Warum würde er das tun“? Wenn Du in einer Fernsehserie mitspielst, machst Du es einfach. In diesem Sinne lernt das Publikum Dein wirkliches Ich jede Woche mehr kennen.

 

Hier endete der kleine Auszug aus dem Buch von Karl Malden "When Do I Start?" Bitte beachten Sie die Rechte an der Übersetzung. Natürlich kann ich nur jedem empfehlen, das Buch zu kaufen. Auch wenn es auf Englisch geschrieben wurde. Wir danken Farbenhexe für die Übersetzung.